Themen des GEB

Leserbrief zur Seite-1-Berichterstattung in der Stuttgarter Zeitung vom 13.09.2022

Sehr geehrte Frau Allgöwer,

mit großem Entsetzen haben wir Ihre Berichterstattung zum Thema der Betreuungsstandards in den Kitas in der Stuttgarter Zeitung vom 13.09.2022 zur Kenntnis genommen.

Allein beim städtischen Träger in Stuttgart fehlen über 250 pädagogische Fachkräfte in den Kitas. Es stehen neu gebaute und altgediente Kitas leer, weil das Personal für den Betrieb fehlt. Letztes Jahr musste die Stadt Stuttgart 7.100 Ablehnungsbescheide (bei knapp 10.000 betreuten Kindern!) an Familien verschicken, weil das Betreuungspersonal und damit die Kitaplätze fehlen. Es fällt dem städtischen Träger schon heute sehr schwer, die vorhandenen Fachkräfte zu halten, ganz zu schweigen davon, neue zu finden.

Wenn jetzt die Gruppengröße zunimmt, damit die Kinder betreut (und die Eltern/WählerInnen zufrieden gestellt) sind, steigt unweigerlich die Belastung der vorhandenen MitarbeiterInnen. Damit wird deren Frustration ansteigen und letztendlich erreicht die Politik das Gegenteil des Gewünschten. Zukünftige Fachkräfte werden sich ganz genau anschauen, wie sich die Arbeitsbelastung im Kita-Alltag entwickelt und ihre Berufswahl danach ausrichten. Leider hat auch die letzte Tarifrunde Anfang diesen Jahres weder bei den kommunalen Arbeitgebern noch auf Gewerkschaftsseite die Bereitschaft zu tiefgreifenden Verbesserungen der Arbeitsbedingungen erkennen lassen, wie sie zum Beispiel vom Kita-Fachkräfteverband vorgeschlagen wurden.

Außerdem muss dringend zwischen einer Betreuung und dem Kinderrecht auf frühkindliche Bildung unterschieden werden. Mit einer „satt und sauber“-Betreuung, die den Eltern eine Berufstätigkeit erlaubt, ist das Kinderrecht auf frühkindliche Bildung bei Weitem nicht erfüllt!
Mit der frühkindlichen Bildung wird das Fundament für die gesamte Bildungskarriere gelegt und das sollte gerade im Südwesten mit den im bundesweiten Vergleich höheren Anforderungen in den Schulen tragfähig sein, unabhängig vom Elternhaus. Bei einer dünnen Personaldecke wird die individuelle Förderung der Kinder als erstes beschnitten werden, denn im Zweifel wird der körperlichen Unversehrtheit Vorrang vor der Bildung eingeräumt.

Ab 2026 wird der Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung in den Grundschulen schrittweise eingeführt, das heißt, es müssen spätestens 2029 4 weitere Jahrgänge betreut werden. Damit verdoppelt sich die Anzahl der zu betreuenden Kinder voraussichtlich, aber uns fehlen doch heute schon die pädagogischen Fachkräfte in den Kitas! Wie soll es dann in 7 Jahren möglich sein, einen mindestens doppelt so hohen Bedarf zu decken, wenn eine Ausbildung zur pädagogischen Fachkraft mindestens drei Jahre dauert?

Mit freundlichen Grüßen,
Elisabeth Reuter für den Gesamtelternbeirat der städtischen Kitas, Horte und Schülerhäuser in Stuttgart

Zum Kommentar von Renate Allgöwer in der Stuttgarter Zeitung „Umdenken – statt Standards in der Kita-Betreuung senken“ (StZ-PLUS-Artikel)

Zur Online-Version des Artikels in der Stuttgarter Zeitung „Grüne und CDU wollen Standards senken“ (12.09.2022)

Zur Online-Version des Artikels in der Stuttgarter Zeitung „Land erlaubt größere Gruppen in KiTas“ (13.09.2022)