Themen des GEB

Nach dem Lockdown ist vor dem Lockdown

Offener Brief an Politik, Verwaltung und Gesellschaft

Liebe Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung,
liebe Gesellschaft,
liebe Eltern,

die Delta-Variante wird noch im Sommer das Infektionsgeschehen dominieren, eingeschleppt durch Reisen, sowie Großveranstaltungen wie die europaweit ausgetragene Fußball-EM oder die Aufhebung der Home-Office-Pflicht. Freundliche Appelle an die Vernunft der pandemüden Menschen werden nichts nützen. Deshalb fordern wir, dass sich Politik, Verwaltung und Gesellschaft schon heute Gedanken machen, wie der nächsten Welle begegnet werden kann. Mit den Maßnahmen von heute steuern wir die Inzidenzen von übermorgen.

Kinder und Jugendliche haben bisher die Hauptlast getragen. Wochenlange Schließungen der Bildungseinrichtungen, psychosoziale und motorische Entwicklungspausen, Lerndefizite und immer wieder das Gefühl, dass die Schwächsten in der Gesellschaft locker an den Rand gedrängt werden, weil sie sich nicht wehren können. Wir sind nicht länger bereit, unsere Kinder die immer wiederkehrenden Fehler der Entscheider*innen ausbaden zu lassen.

Es wäre fatal, wenn die Test-Strategien jetzt beendet würden. Das regelmäßige Testen ist einer der vielversprechendsten Wege, um Cluster frühzeitig zu entdecken und Maßnahmen zur Abwehr zu ergreifen. Die pauschale Schließung von KiTas und Schulen gehört jedenfalls nicht dazu.

Zu Beginn der Pandemie wurde von den Kindern und Jugendlichen Solidarität mit den gefährdeten Gruppen der Gesellschaft erwartet. Aufgrund fallender Inzidenzen und einer steigenden Impfquote bei Erwachsenen können die Kontaktbeschränkungen in Beruf und Freizeit jetzt sukzessive heruntergefahren werden. Doch können die ungeimpften Kinder und Jugendlichen bei steigenden Inzidenzen auf die gleiche Solidarität der Gesellschaft hoffen?

Daher fordern wir:

  • Frühkindliche Bildung für alle Kinder: alle Kinder müssen uneingeschränkt an frühkindlicher Bildung teilhaben dürfen.
  • Keine einseitigen Maßnahmen zu Lasten der Kinder und ihrer Eltern: KiTa- und Schulschließungen kommen für die Pandemie-Bekämpfung nicht mehr in Frage. Die negativen Folgen für unsere Kinder dadurch sind viel gravierender als alle davon erhofften Effekte.
  • Corona-Teststrategie weiterführen: die Vorteile einer regelmäßigen Testung in allen Bereichen (Beruf, KiTa/Schule, Freizeit, Reisen,…) überwiegen die finanziellen Aufwendungen.
  • Eine beschleunigte Digitalisierung auch für KiTas: unsere Umfrage unter Eltern zu den Erfahrungen in der Notbetreuung hat gezeigt, dass die meisten KiTas weder über die Ausstattung, noch die Kompetenz, Methoden, Kreativität oder Handlungsspielräume (z.B. Datenschutzregeln) zur Aufrechterhaltung des Kontakts zum Kind und seinen Eltern verfügen.

Schließlich geht es uns auch um mehr Gerechtigkeit. Die finanzielle Unterstützung der Wirtschaft in diesen harten Zeiten ist und bleibt notwendig. Wenn aber mit diesem Argument weitere notwendige Ausgaben zur Kompensation bei KiTa- und Schulschließungen erschwert oder verhindert werden, entstehen Ungerechtigkeiten. Daher fordern wir auch die Arbeitgeber dazu auf, kontraproduktive Vorschläge wie das Ende der Home-Office-Pflicht zu unterlassen. Sie werden es sein, die sich in ein paar Jahren darüber beklagen, dass bei Schulabgängern wichtige Kompetenzen fehlen oder das Bildungsniveau deutlich nachgelassen haben wird.

Diese Pandemie ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und darf nicht zur Spaltung der Gesellschaft oder zu einem Generationenkonflikt führen. Daher fordern wir die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung auf, auch bei den jetzt erfreulich niedrigen Inzidenzen schon zu überlegen und zu planen, wie die nächste Welle zum Schutz unserer ungeimpften Kinder verhindert werden kann! Wir verstehen die Freude über die zurückgewonnene Normalität, aber wir erwarten ein solidarisches Verhalten der Gesellschaft zum Schutz unserer ungeimpften Kinder!

Nach dem Lockdown ist vor dem nächsten Lockdown: Lassen Sie uns jetzt zusammen die nächste Welle proaktiv eindämmen!